Pasta: Vom Kloster Montebello in die Welt
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Gino Girolomonis Lebenswerk: Beispiel für biologische Wertschöpfung
Als Gino Girolomoni 1971 in die Ruinen des alten Hieronymitanerklosters Montebello bei Urbino einzog, dachte niemand daran, dass aus dem spirituell angehauchten „Spinner“ einmal Italiens Vordenker und Prophet für biologische Landwirtschaft werden würde, von Universitäten und Kooperativen in aller Welt hofiert. Gino hatte sich schon früh in den Kopf gesetzt, die bäuerlichen Strukturen seiner Kindheit wiederzubeleben, die durch die extreme Landflucht nach dem Krieg nahezu zerstört waren. Heute produziert die von ihm aufgebaute Nudelfabrik http://girolomoni.it 70 Kilometer südlich von Rimini 5.000 Tonnen Bio-Pasta jährlich in dutzenden unterschiedlichen Produktlinien, von denen 90 Prozent in den Export gehen.
Girolomoni, geboren 1946, lernte die Armut, Einsamkeit und Mühsal des Landlebens schon als Kind kennen, aber auch die Werte der bäuerlichen Gesellschaft, wie er später oft betonte. Nach einem Aufenthalt in der Schweiz, ersten politischen Ambitionen in seiner Gemeinde und dem Einzug ins alte Kloster, setzte er mit seiner Frau Tullia die Grundlagen seines biologisch-sozialen Denkens in die Praxis um. Mit zwei betagten Landwirten und fünf jungen Enthusiasten gründete er 1977 die Genossenschaft Alce Nero (Schwarzer Elch), die sich dank seiner visionären Überzeugungskraft rasch vergrößerte und so aus dem einstigen Bio-Pionier einen erfolgreichen Agrarunternehmer machte.
Mit dem verdienten Geld adaptierte er das Kloster, das dabei immer ein Hafen war: Gino und Tullia zogen drei Kinder groß (alle im Betrieb tätig) und empfingen in den 40 Jahren tausende Tischgäste, Agrar-Touristen, Abenteurer, junge Menschen auf der Suche nach Gott oder auf der Durchreise. Gino hatte die große Begabung, zu Menschen eine Beziehung aufzubauen, auch wenn sie aus gebildeteren Kreisen stammten wie er: Intellektuelle wie der Theologie Sergio Quinzio, die Schriftsteller Guido Ceronetti und Paolo Volponi oder der Literaturkritiker Carlo Bo gingen bei ihm ein und aus, um seine Vorstellungen der zukünftigen Agrarentwicklung zu hören.
Heute besteht das moderne Agrotourismus-Unternehmen aus dem „Monastero“ Montebello auf einer luftigen Anhöhe, der „Locanda“ und dem Landhaus „Fosso del Lupo“ mit Unterkünften und Seminarräumen für insgesamt bis zu 100 Personen, den Räumlichkeiten der Genossenschaft, Büros, Lagerräumen, der Teigwarenfabrik und einem Kuhstall mit 30 Tieren. Mehrere hundert Hektar Ackerflächen, 30 Genossenschafter (zumeist Landwirte) und 40 Mitarbeiterinnen sorgen dafür, dass der Betrieb läuft. Von Montag bis Freitag wird im 24-Stunden-Takt produziert, verrät der zuständige Kommunikationsmanager Daniele Garota.
Wertschöpfung: Vom Acker bis ins Geschäft
Die Getreideproduktion erfolgt auf genossenschaftlichen Anbauflächen, die gesamte Nudelerzeugung in der hauseigenen Teigwarenfabrik. Garota ist stolz darauf: Girolomoni-Pasta wird biologisch „pur“ – ausschließlich aus Mehl und sauberstem Quellwasser und ohne Zusatzstoffe – erzeugt und in Eigeninitiative vermarktet und vertrieben. Lediglich gemahlen wird das Korn außer Haus, in der Mühle eines Partnerbetriebs, verrät Garota, selbst ein Pionier der ersten Stunde. Er hat das Unternehmen mit aufgebaut und mit Ginos Sohn, Giovanni Battista Girolomoni, den internationalen Vertrieb forciert.
Verkauft werden rund 80 unterschiedlich verpackte Produkte: Hartweizennudeln in allen Größen, Geschmackssorten und Walzungen, Hartweizen-Vollkornnudeln, Teigwaren aus historischen Getreidesorten, Couscous (Hartweizenvollkorngries) und verschiedene Reissorten ebenso wie Getreidesorten (Hirse, Perlemmer, Perlgerste), Weizenmehl und Hülsenfrüchte, aber auch Bio-Tomatenprodukte, natives Olivenöl, Bio-Balsamessig oder Fruchtcremes (siehe Produktkatalog im Attachment). Die Nudelprodukte kommen auf den internationalen Märkten teilweise mit unterschiedlichen Marken in den Handel, so etwa in Deutschland unter den Labels „Rapunzel“ oder „Biogourmet“. Die Hauptmärkte des Unternehmens sind Nordamerika, Westeuropa und Japan. Für Österreich und die Schweiz sei man derzeit noch auf der Suche nach Handelspartnern, sagt Garota offenherzig.
Kommunikation als zentraler Erfolgsfaktor
„Was Girolomoni von vielen anderen Betrieben dieser Art in Italien unterscheidet, ist die einmalige Story von Gino, seiner Familie und der Kooperative“, erzählt Daniele. „Natürlich war es nicht immer einfach, aber am Ende zählt das Ergebnis.“ Die Markenrechte an Alce Nero mussten so etwa 2002 abgetreten werden, dafür entstand das Unternehmen „Montebello“, aus dem nach dem frühen Tod Ginos 2012 die Stiftung „Girolomoni“ wurde. Heute werden die Produkte bevorzugt unter dem Firmenbrand GIROLOMONI vertrieben, ein beachtlicher Teil der Produktion geht aber nach wie vor über Lizenz- und Handelsmarken.
Auch wenn Garota bescheiden sagt, es könnte in der Kommunikation deutlich mehr passieren, Girolomoni ist auch hier vorbildlich – Fabriksbesichtigung mit deutscher Übersetzerin, die Website in fünf Sprachen, die Story übersichtlich und klar erzählt, auch das Corporate Design einprägsam – Kloster, Philosophie und Nachhaltigkeit stehen im Mittelpunkt, das macht den Betrieb sympathisch und besuchenswert. „Mehr also bio“ ist das Motto, mehr als gewöhnlich die Koooperative.
Seit 2007 vergibt sie einen eigenen Award für hervorragende Leistungen in der biologischen Landwirtschaft, unter den Preisträgern sind so bekannte Agrar- und Sozialpioniere wie Rapunzel-Gründer Joseph Wilhelm (D), Victoria Perez (F) und Corrado Barberis (I), der ägyptische Bio-Vorreiter und Gründer von Sekem, Ibrahim Abouleish, der israelische Agronom Mario Levi, die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva sowie der italienische Wirtschaftsprofessor Luciano Vasapollo http://bit.ly/1oMFIH7 .
Was Gino Girolomoni mit seiner Genossenschaft in Isola di Piano begann, hat internationale Vorbildwirkung. Schließlich hat er dazu beigetragen, die Landflucht aufzuhalten und Landwirte dazu bewegt, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen und sogar alte, verlassene Häuser wieder zu beziehen. So haben sich in kurzer Zeit für viele junge Menschen neue Arbeitsmöglichkeiten ergeben – Wertschöpfung pur für die regionale und lokale Wirtschaft.
Produktkatalog Girolomoni 2014